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Tennis-Ikone Martina Navratilova wird 60

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Berlin – Die Augen von Martina Navratilova werden immer noch feucht, wenn sie an den Spätsommer 1975 denkt.

Sie solle ihrer Mutter nicht erzählen, dass sie in den USA bleiben und nicht mehr durch den Eisernen Vorhang in die damalige Tschechoslowakei zurückkehren wolle, riet ihr Vater der aufstrebenden Tennisspielerin aus dem Örtchen Revnice bei Prag. Der Kalte Krieg und die Gängelungen in der Heimat nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen 1968 sind längst Vergangenheit.

«Ich bin stolze Tschechin mit amerikanischem Pass», sagte Navratilova, die am 18. Oktober ihren 60. Geburtstag feiert und fit wie immer wirkt. 167 Turniersiege im Einzel, 177 im Doppel, 59 Grand-Slam-Titel, den letzten davon einen Monat vor ihrem 50. Geburtstag. Dazu 332 Wochen als Nummer eins, 86:1-Siege im Jahr 1983, neunmal Wimbledonsiegerin – die Reihe der Erfolge von Steffi Grafs einstiger Rivalin ließe sich noch eine Weile fortsetzen.

«Ich habe größten Respekt vor Martina und dem, was sie auf dem Platz geleistet hat. Sie war eine großartige Sportlerin, die mich immer wieder angetrieben hat, noch besser zu werden», sagte Graf dem Deutschen Tennis Bund. «Ich habe Martina mit ihrer Ehrlichkeit immer geschätzt, und vor allem hat sie mich mit ihrer Liebe zum Tennissport beeindruckt.»

Ihre einmalige Karriere machte die auf dem Tennisplatz von Aufschlag und Volley lebende Linkshänderin zu einem Weltstar des Sports. Populär wurde sie auch durch ihr Engagement für gleichgeschlechtliche Paare, für Tier- und Umweltschutz. In sechs Jahrzehnten hat sie so viel erlebt und erlitten, inklusive einer Krebserkrankung – die Tränen kamen Navratilova während einer einstündigen BBC-Dokumentation aus diesem Sommer, als sie von der Flucht von Ost nach West erzählte.

Nach dem US-Open-Aus gegen Chris Evert, der großen Rivalin vor den Duellen mit Steffi Graf, ging sie als Teenager in New York zu den amerikanischen Behörden. Nicht wissend, ob und wann sie ihre Familie jemals wiedersehen würde. Das freiere Leben in den USA faszinierte das Riesentalent. Dort bekannte sich Navratilova auch öffentlich zu ihrer Beziehung zu einer Frau. «Was ich nicht begriff, war, was mich das an Fan-Unterstützung kosten würde», räumte sie ein.

Inzwischen ist Navratilova mit der ehemaligen russischen Schönheitskönigin Julia Lemigowa verheiratet. «Wer hätte gedacht, dass eine Tschechin und eine Russin so gut miteinander auskommen», witzelte Navratilova in dem BBC-Film.

Die Wimbledon-Organisatoren schafften es, dass 1979 Navratilovas Mutter beim Finale dabei war. Sieben Jahre später – inzwischen als US-Staatsbürgerin – erlebte sie im Fed Cup eine triumphale Rückkehr nach Prag, obwohl Medien und Politik schwiegen. Evert war damals dabei und fasste die offizielle Missachtung im Rückblick so zusammen: «Sie war eine Nicht-Person.» Die Fans feierten Navratilova dagegen als eine der ihren. Im Endspiel siegte das US-Team 3:0 – ausgerechnet gegen Gastgeber CSSR. Navratilova holte Punkte im Einzel sowie mit ihrer langjährigen Erfolgspartnerin Pam Shriver im Doppel.

Viele ihrer 31 Doppel-Titel bei Grand Slams sammelte sie mit Shriver, beide blieben einmal 109 Matches in Serie ungeschlagen. Zu den 18 Einzel-Triumphen kamen noch zehn im Mixed. Damen-Tennis-Ikone Billie Jean King würdigte ihre Nachfolgerin als «die größte Spielerin im Einzel, Doppel und Mixed, die jemals gelebt hat».

Das lag auch daran, dass Navratilova die Fitness im Damen-Tennis auf ein neues Niveau hob – das Steffi Graf dann noch einmal steigerte. «Sie war so schnell. Du hast sie niemals hinfallen oder aus der Balance kommen sehen», erklärte Navratilova erst in diesem Jahr in einem Video der Spielerinnen-Organisation WTA, in dem sie Grafs Vorhand lächelnd als beste bezeichnete: «Davon habe ich zu viele abbekommen.» 18 Mal standen sich beide gegenüber, Grafs erster Sieg 1986 im Finale in Berlin leitete den Generationenwechsel ein.

Talent, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen ließen Navratilova zur beherrschenden Spielerin ihrer Zeit werden. Der Wille, außerhalb der Plätze dem eigenen Weg zu folgen, machten sie auch ohne Oberschulabschluss zu einer bedeutenden Persönlichkeit. Ausgestattet mit einem trockenen Humor, stets für andere da.

«Sie äußert sich, auch wenn es gegen die öffentliche Meinung oder die Norm geht», sagte Chris Evert, die Navratilova zur guten Freundin wurde. «Sie ist eine große Kämpferin für homosexuelle Menschen, sie hat beim Kreuzzug für Menschenrechte geholfen», fügte ihr Kumpel Elton John hinzu. Mit dem Pop-Star und Sport-Fan hat Navratilova schon Spaß-Doppel gegen Graf und deren Ehemann Andre Agassi gespielt.

Ihrem einstigen Mixed-Partner Leander Paes stand sie zur Seite, als der Inder an einem Tumor erkrankt war. «Als ich im Krankenhaus war, kam abends um neun immer der Anruf von ihr», erzählte Paes der BBC. «Sie ist ein Champion des Lebens.»

Fotocredits: Filip Singer
(dpa)

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