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Sollte der Sport eine Bühne für politische Differenzen sein?

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Fussball auf FlaggenSeit nun fast 10 Jahren wiederholt sich immer wieder zur EM, wie auch 2012, sowie zu den Weltmeisterschaften ein sensationelles und fast schon verloren gegangenes Bild in Deutschland. Die Nation zeigt Flagge. Und das nicht nur am Flaggenmast einer jeden Gemeinde, sondern überall, wo es nur möglich ist. Am eigenen Haus oder aus dem Fenster der Wohnung heraus und im Gesicht und durch Kleidung werden die deutschen Farben „Schwarz, Rot, Gold“ offen und voller Stolz präsentiert.

Vor allem des Deutschen Liebstes, das Auto, wird mit Fähnchen und Außenspiegelverkleidung sowie durch Aufkleber geschmückt. Jeder weiß: Es ist wieder Fußballzeit, die deutsche Nationalmannschaft spielt, kämpft um einen Titel und versetzt die ganze Nation in ein unzubändigendes Deutschlandfieber.

Dennoch ist es nicht unbedingt immer vorteilhaft, die Politik mit dem Stadionbesuch zu vermischen

Es ist schon erstaunlich, wie viel ein Sport bewirken kann. Denn mal ganz ehrlich, gäbe es die EM 2012 und andere Meisterschaften nicht, wer würde dann schon in Deutschland stolz die Fahne hissen? Die Geschichte Deutschlands beweist, dass der Sport durchaus Einfluss auf die Politik nehmen kann. Denn ein Land mit verletztem Nationalstolz, aufgrund der historischen Entsetzlichkeiten, die hier geschahen, scheint langsam wieder zu heilen und eine neue Form des Patriotismus zu entwickeln. Natürlich ist es schlau, den Sport zu nutzen, um sich als Politiker oder auch als Partei zu präsentieren. Denn auch viele Fans der EM 2012 in der Ukraine sind begeistert von Gleichgesinnten und Mithoffenden für die eigene Nation. So gesehen ist es auch gar nicht verkehrt, wenn Angela Merkel der ein oder anderen Partie ein Stadionbesuch abstattet, um, wie ihr Volk, den eigenen Nationalstolz kund zu tun und sich mit seinem Land und dessen Bevölkerung verbunden zu fühlen.
Trotzdem sollte der Sport das Messen von körperlicher, technischer und taktischer Leistung bleiben und nicht zum Austragen von Uneinstimmigkeiten in der nationalen und internationalen Politik genutzt werden.
Schließlich hat der Sieg oder auch das Verlieren einer Mannschaft auch keine direkte politische Bedeutung für deren Nation. Kein Land wird plötzlich durch die Wirtschaft bevorzugt, nur weil es Weltmeister ist und niemand zieht in den Krieg, weil eine andere Mannschaft, als der eigene Favorit, gewonnen hat.
Größe beweisen diejenigen, die trotz politischen Differenzen beim Sport einander die Hände schütteln und gemeinsam einen friedlichen Stadionbesuch ableisten können.

Fall Julia Timoschenko

Und doch zeigt die EM 2012 in der Ukraine, dass diese Trennung von Sport und Politik nicht ganz einfach ist. Denn sind die Menschenrechte, als eines der Grundrechte auf der ganzen Welt, betroffen, hört schnell die sportliche Fairness auf. Und so ist es verständlich, dass Angela Merkel dieses Jahr die Entscheidung schwer fällt, zum Finale der EM 2012 in die Ukraine zu fliegen und völlig unbeschwert Beifall zu klatschen. Denn die Haftbedingungen der dort Gefangenen Julia Timoschenko, ehemalige Regierungschefin der Ukraine, werden international scharf kritisiert und als „menschenunwürdig“ beschrieben. Viele Politiker der Europäischen Union protestieren deshalb, indem sie der EM 2012 in der Ukraine fern bleiben. Denn die Verletzung der Menschenrechte, wie im Fall Julia Timoschenke, ist ihrer Meinung nach nichts, worüber man, wenn auch nur beim Stadionbesuch, drüber hinwegsehen kann.
Andererseits können weder der Sport Fußball noch die Spieler etwas für das politische Verhalten der eigenen Landesoberhäupte. Doch vielleicht schaffen es ja die Fußballer die Welt, wie während der EM 2012, auf Unstimmigkeiten aufmerksam zu machen, um dann Politiker zusammenzuführen und gemeinsam Lösungen finden zu lassen.

Bild von: laguna35 – Fotolia