Leichtathletik

Hochspringerin Bergmann im Alter von 103 Jahren gestorben

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New York – Gretel Bergmann wollte nie vergeben und vergessen. Die Nazis hatten die Hochspringerin auf hinterhältige Weise nicht nur von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin ausgeschlossen, weil sie Jüdin war, sondern an ihrer Stelle einen als Frau verkleideten Mann an den Start geschickt.

Am Dienstag starb sie im Alter von 103 Jahren in New York. Dies bestätigte ihr Sohn Gary Lambert der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die «New York Times» darüber berichtet.

Erst 62 Jahre nach ihrer Emigration in die USA kehrte Margarete «Gretel» Bergmann in die deutsche Heimat zurück. «Ich werde nie vergessen, was geschehen ist», erklärte sie 1999 bei ihrem einzigen Besuch in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie sei aber froh darüber, sich dazu überwunden zu haben. «Wissen Sie, es ist nicht schön, mit all der Bitterkeit im Inneren zu leben.»

1937 hatte Gretel Bergmann verbittert und um ihr Leben fürchtend ihre Geburtsstadt Laupheim verlassen und war in die USA emigriert. Dort lebte die Tochter eines Fabrikanten bis zu ihrem Tod im New Yorker Stadtteil Queens. Obwohl sie schwor, nie in die Heimat zurückzukehren, kam sie 1999 doch nach Deutschland zurück, um den Georg-von-Opel-Preis als einer der «stillen Sieger» in Frankfurt/Main entgegenzunehmen.

«Ich wollte nie endgültig zurückkehren», sagte Gretel Bergmann mit Bezug auf Helene Mayer. Die halbjüdische Fecht-Olympiasiegerin von 1928 durfte auf Druck der Weltöffentlichkeit an den Spielen in Berlin teilnehmen, flüchtete vor dem Hitler-Regime ebenfalls in die USA, kam jedoch nach vielen Jahren nach Deutschland zurück.

Für Gretel Bergmann, die 1939 Bruno Lambert heiratete und deren Schwiegereltern sowie Verwandte im Konzentrationslager starben, war das unmöglich. Vor den Berlin-Spielen war sie eine der weltbesten Hochspringerinnen und stellte den deutschen Rekord von 1,60 Metern ein. Nur weil die Amerikaner mit dem Olympia-Boykott drohten, falls keine Juden dem deutschen Team angehören, wurde sie in die olympische Kernmannschaft beordert. Kaum war das US-Team nach Berlin aufgebrochen, wurde sie von den Nazis ausgeschlossen.

«Gold, nichts anderes wäre es gewesen», war ihre Überzeugung. Wäre ihr Leben anders verlaufen, wenn sie Olympiasiegerin geworden wäre? «Ich weiß es nicht», sagte Gretel Bergmann einmal. «Ich hatte gute Zeiten und schlechte Zeiten. Nun denke ich nicht mehr viel darüber nach.»

Olympiasiegerin wurde die Ungarin Ibolya Csak – mit der Höhe von 1,60 Metern. Anstelle der Jüdin Bergmann schickten die Nationalsozialisten Dora Ratjen in den olympischen Hochsprung-Wettbewerb. Die Rivalin wurde Vierte und entpuppte sich später als Mann. «Er war meine Zimmernachbarin. Ich habe nie gedacht, dass es keine Frau ist», erzählte Bergmann. Sie erfuhr erst 1966 von dieser Täuschung.

Nach den Berlin-Spielen flüchtete sie in die USA, schlug sich mühsam durch und wurde 1937 und 1938 US-Meisterin im Hochsprung. «Ich habe Deutschland, die Menschen und sogar die Sprache dafür gehasst, was es mir und den jüdischen Menschen angetan hat», hatte Gretel Bergmann über Jahrzehnte immer wieder betont.

«Verglichen mit dem Schicksal der sechs Millionen unschuldigen Juden, die ermordet wurden, war das, was mir widerfuhr, von sehr geringer Tragweite», schrieb Bergmann 1996 in einem Leserbrief an die «Schwäbische Zeitung».

«Sie war ein Opfer des Rassenwahns der Nationalsozialisten», erklärte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Clemens Prokop, der Bergmann zum 100. Geburtstag in New York besucht hatte. Er würdigte sie als eine «sehr ungewöhnliche Frau. Für eine Hochspringerin sehr klein, aber im Leben eine sehr große Frau.»

Fotocredits: Stefan Puchner
(dpa)

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