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DTB vor Becker-Spagat – «Boris hat sich gut eingebracht»

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Oeiras – Beim Abendessen im Restaurant Os Acros an der portugiesischen Atlantikküste fiel bei Weißwein und Bier die ganze Anspannung vom deutschen Davis-Cup-Team ab.

Nach dem nervenaufwühlenden Sieg im Abstiegsduell in Oeiras gönnten sich Bundestrainer Michael Kohlmann & Co. erst einmal einen Sprung in den Hotelpool, ehe sie bis kurz nach Mitternacht den Verbleib in der Eliteliga der besten 16 Nationen feierten. Boris Becker richtete ein paar knappe Worte an die Mannschaft, ehe die Reisegruppe des Deutschen Tennis Bundes wieder aus Lissabon abflog.

«Ich bin sehr, sehr stolz auf die Mannschaft», sagte Kohlmann nach dem 3:2-Sieg über seine völlig neuformierte Equipe aus den beiden Debütanten Tim Pütz und Yannick Hanfmann und den schon Davis-Cup-erfahreneren Jan-Lennard Struff und Cedrik-Marcel Stebe. Sportlich hat der mitgliederstärkste Tennisverband der Welt das Schreckensszenario Europa/Afrika-Zone abwenden können und sich die Planungssicherheit eines weiteren Jahres in der Weltgruppe gesichert.

Abseits des Platzes und hinter den Kulissen jedoch ist die DTB-Spitze in den kommenden Wochen und Monaten gefordert: Der Vertrag mit Davis-Cup-Kapitän Kohlmann läuft am Jahresende aus und ist bislang noch nicht verlängert worden. Die Verhandlungen sollen «zeitnah», aber «ohne Hektik» geführt werden, wie es der für den Leistungssport im DTB zuständige Vizepräsident Dirk Hordorff formulierte. Ein Selbstgänger scheint die Weitbeschäftigung jedoch nicht zu sein.

Was aber auch an Kohlmann selber liegen könnte. Der 43-Jährige wirkte unmittelbar nach dem Sieg nachdenklich und auch ein wenig genervt vom Hype um den neuen Chefberater Becker, der erstmals in seiner Rolle als Head of Men’s Tennis wirkte. «Da müssen Sie andere Leute fragen, ob überhaupt in die Verhandlungen gegangen wird», sagte Kohlmann. Es gebe «schon ein paar Sachen, die man besprechen muss.»

Damit dürfte vor allem das künftige Zusammenspiel mit Becker gemeint sein. In Portugal klappte das zumindest in der Außenwirkung hervorragend. Becker stieß am Mittwochabend zum Team, gab am Donnerstag nach der Auslosung eine kurze Pressekonferenz und übermittelte am Freitag via DTB-Sprecher ein Statement.

Nach seiner Ankunft war er bei allen Trainingseinheiten dabei, führte Gespräche mit Spielern und Kohlmann und feuerte während der Matches von der Tribüne aus an. Nach dem Sieg am Sonntag wollte sich der dreimalige Wimbledonsieger öffentlich nicht mehr äußern, sondern der Mannschaft die Bühne überlassen. Diese nutzte die Pressekonferenz dann auch zu einem eher ungewohnten Abschluss-Statement.

«Ich finde es ein bisschen schade, dass in dem ganzen Trubel um Boris ein bisschen untergeht, was Michael gemacht hat. Für uns war Michael im Vorfeld und hier wesentlich wichtiger als Boris, er hat einen wesentlich größeren Anteil am Klassenerhalt», sagte Pütz.

Seine Aussagen seien keine Kritik an Becker, betonte der 29-Jährige mehrmals. Er wolle nur die Verdienste Kohlmanns angemessen gewürdigt sehen. Und genau hier ist nun auch der DTB gefordert. Denn der Verband hat die Konstellation mit einem Alphatier Becker an der Spitze bewusst gewählt. Der 49-Jährige soll Druck von den Spielern nehmen und den Fokus auf sich lenken. Dass die Öffentlichkeit sich dann auf Becker stürzt, darf den Verband daher nicht überraschen.

In dieser Gemengelage ist Kohlmann ein Glücksfall. Einen besseren Mann als den früheren Doppelspezialisten kann es derzeit auf diesem Posten nicht geben. Der Familienvater aus Hagen ist bescheiden und uneitel genug, mit der neuen Struktur umzugehen und diese zu akzeptieren. Er weiß um seinen Stellenwert bei den Spielern und die Wertschätzung der Verbandsführung. Er hat die Absagen von Alexander Zverev, Mischa Zverev und Philipp Kohlschreiber ohne Klagen hingenommen und moderiert. Nur ganz zum Schluss, als wieder und wieder nur nach Becker gefragt wurde, wurde es auch ihm zu viel.

Und dennoch sagte er: «Ich habe das Gefühl gehabt, dass es eine gute Woche war. Boris hat sich sehr gut eingebracht, insofern gibt es von meiner Seite aus da jetzt nichts Negatives, was ich sehen könnte.»

Fotocredits: Armando Franca
(dpa)

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